Lange galt afrikanische Kunst im Westen als „traditionell“ und „stammeshaft“. Doch die Gegenwart sieht anders aus: Afrikanische Künstler und Künstlerinnen erobern Museen, Biennalen, Galerien und Kunstmärkte – und als Straßenkunst auch die Straßen. Sie erzählen Geschichten von Erinnerung, Identität, Globalisierung und Selbstbehauptung. Zeitgenössische afrikanische Kunst ist mehr als Ästhetik, sie ist ein gesellschaftlicher Spiegel. Ob im Museum oder im Stadtbild. Oder als Streetartfotografie im ethnologischen Museum in München.
Farbenfrohe Busse aus Mali mitten in München
Was derzeit im Museum Fünf Kontinente in München zu bestaunen ist, ist Kunst im doppelten Sinn: Es geht um Street- und Streetart-Fotografie in Bamako, ganz besonders um Fotos von farbenfroh bemalten Minibussen. Seit dem 16.5.2025 hängen hier rund 60 großformatige farbige Fotos und Poster an den Wänden und in Vitrinen. Die Fotos zeigen Straßen- und Marktszenen und in leuchtenden Farben bemalte Mercedes-Minibusse im Stadtverkehr, sowie deren Fahrer, die Busjungen, Fahrgäste und Passanten. Sofort wird deutlich: Busfahren in Bamako, der Hauptstadt Malis, ist bunt.
Straßenkunst als gesellschaftlicher Spiegel

Merci Maman: Ein Logo auf einem der bemalten Busse
Die leuchtend bunten, kunstvoll bemalten Kleinbusse, Sotramas genannt nach der `Sociétée du Transport Mali´, sind, wie Kurator Dr. Stefan Eisenhofer und Gast-Kurator Jonathan Fischer bei einer Führung erzählen, eine Besonderheit in Bamako. Die Sotramas prägen die Straßen und Plätze der Stadt. Sie sind gewissermaßen eine Art rollende Kunstausstellung und weisen mit ihren Aufschriften auf aktuell diskutierte Themen hin. Jeder Bus ist ein Unikat mit Slogans, Lebensweisheiten, Portraits, Markennamen, Bilder und Symbolen aus Pop, Politik, Sport und Religion, mit Tieren, Danksagungen – und auch mit Bezügen zu Deutschland und zum deutschen Fußball. Es sind nicht einfach nur Fortbewegungsmittel, sie sind ein kulturelles Phänomen, ein Ort der Begegnung. Sowohl die Bemalung wie auch die Fotos davon sind zeitgenössische Kunst. „Merci Maman“ ist einer der Bus-Slogans. Genauso heißt auch die Ausstellung im Museum.
Die Fotos der Ausstellung stammen von dem Foto-Kollektiv Yamarou. Seydou Camara, der Gründer des Foto-Kollektivs, hatte nach Abschluss seines Jura-Studiums Fotografie studiert und 2015 das Foto-Kollektiv Yamarou gegründet. Seitdem bildet er in Bamako Nachwuchsfotograf/innen aus, arbeitet jedoch auch als künstlerischer Berater. Seine Fotos stellte er schon in vielen Städten aus, darunter auch auf der Dokumenta. Yamarou dokumentiert seit mehreren Jahren die bunt bemalten Sotramas sowie deren Fahrer und Fahrgäste. Die Yamaristen wollen die Lebenswirklichkeit darstellen und junge Menschen anregen, ihre Umgebung bewusst wahrzunehmen und sich mit Fotografie zu beschäftigen.
Vom Friseurlehrling zum gefeierten Streetart-Künstler

Busmalaktion: Zwei Stunden für die Bemalung eines Busses
Urheber der Busbemalungen ist der Streetart-Künstler Drissa Konaté. Drissa Konaté war Friseurgehilfe in einem Friseurladen in Bamako, und da er gerne zeichnete, bemalte er die triste Außenwand des Friseurladens mit einem überlebensgroßen Portrait eines amerikanischen Rappers. Nachbarn, Geschäftsleute, Passanten wurden auf ihn aufmerksam und beauftragten ihn mit Wandmalereien. Auch Chauffeure und Besitzer von Lastwagen und Kleinbussen wollten Malereien für ihre Autos. So begann seine Karriere als Bus- und Street-Maler. Er bekam weitere Aufträge für Bühnenbilder, für Restaurants und nahm an verschiedenen Ausstellungen teil. Die Bemalungen der Sotramas waren für ihn immer die beste Werbung, sagt er. Manche spraye er, manche bemale er mit dem Pinsel. Auf die Frage, wie lange er an einem Bus male, antwortet Konaté, dass er 2-3 Busse pro Tag bemale. Den Bus vor dem Museum in München hatte er am 18. Mai gegen 11.30 h begonnen zu bemalen, um 13.30 h war der Bus schon zu ¾ bemalt.
Begleitprogramm zur Straßenkunst-Sonderausstellung

v. li: Seydou Camara, Jonathan Fischer, Stefan Eisenhofer
Die Sonderausstellung „Merci Maman“ im Museum Fünf Kontinente läuft noch bis zum 16. November. Führungen mit dem Kurator Dr. Stefan Eisenhofer finden an folgenden Sonntagen jeweils um 11 Uhr statt: 15. Juni, 20. Juli, 3. August. An den Sonntagen 13. Juli und 28. September bietet das Museum zudem Führungen mit dem Kurator Jonathan Fischer um 11 Uhr an. Eine Dialogführung mit beiden Kuratoren findet am 19. Oktober um 11 Uhr statt. Da es immer nur begrenzte Plätze gibt, sollten sich interessierte Besucher anmelden unter kunstvermittlung@mfk-weltoffen.de. Mehr zur Sonderausstellung gibt es auf der Webseite des Museums unter https://www.museum-fuenf-kontinente.de/ausstellungen/merci-maman-strassenfotografie-mali/
Fotos: Angelika Albrecht